Kapitel 3: Von Göttern und Monstern

von Adroth Rian

If thought is life and strength and breath
And the want of thought is death
Then I am a happy fly
If I live or if I die

~ Cosmo Sheldrake (The Fly)


Xana war auf ein Spielzeugshuttle getreten und ein Schwall an Informationen schoss durch ihren Kreislauf. Dass sie ihren Verstand in diese Schrottbüchse hineinzwängen musste, um bei den Thorns angestellt zu bleiben, brachte ihre Synapsen regelmäßig zum Schmoren.

Vielleicht sollte sie dem tavandrischen KI-Schutzbund mal stecken, welchen Arbeitsbedingungen sie bei den Thorns ausgeliefert war. Ihren Job hätte sie danach allerdings los. Und es war schon schwer genug gewesen, ihn zu bekommen.

Binnen Sekunden zweigten sich ihre Gedanken in alle nur erdenklichen Richtungen aus. Kurz überkam sie sogar eine existenzielle Angst. Was ist, wenn sie in diesem Körper stecken bleibt? Was ist, wenn er ihr abraucht und sie dabei draufgeht? So etwas soll schon Mal bei anderen KIs vorgekommen worden sein. Aber Dorian behauptete, das Körper-Modell entspräche allen benötigten Sicherheits- und Mindestanforderungen.


... Mindestanforderungen. Dann war ja alles prima.


Sorgte das Emotionen-Modul dafür, dass sie so irrational dachte? Gehörte sich das so? Das Kontrollmenü gab Rückversicherung: Alles im grünen Bereich. Sie schnaubte.


Im Versuch sich beim ihrem Sturz abzufangen, war sie mit ihrem rechten Arm an einer Kommodenkante hängen belieben und abgerutscht. Der ausgeübte Druck reichten aus, um die am Außenarm bereits etwas brüchige und dünne Silokonhaut aufzureißen und die darunterliegende Kunststoffschicht offenzulegen. Im nächsten Moment landete sie schon mit den Knien auf dem Boden. Ein digitales Stottern ertönte – Systemwarnung. Ja, no shit war sie gestürzt ...

Sie warf einen Blick auf den materiellen Schaden und ließ eine Abfolge von sonderbar anmutenden, beinahe wütenden Fieptönen von sich verlauten. Erschrocken war Dragan zu ihr geeilt. Er war gerade dabei, seine Stofftiere wegzuräumen.

"Xana? Bist Du verletzt?", wollte er wissen, warf einen Blick auf ihren Arm und entsetzte sich: "Tut das sehr weh?"

"Das? Ach nein, das ist nur Plastik. Das tut mir nicht weh", beruhigte Xana den Jungen: "Dieses Körpermodell enthält keine künstlichen Nervenstränge – ich kann damit keine Schmerzen fühlen. Da, siehst Du? Kein Blut, bloß Kunststoff."

Sie zeigte ihm die aufgerissene Stelle. Der Fünfjährige besah ihren Arm mit Staunen.

"Das tut überhaupt nicht weh?"

"Kein bisschen."

Dragan zupfte vorsichtig an dem abstehenden Silikonfetzen.

"Hilfst Du mir dabei, die Stelle zu reparieren? Sonst schält sich der Rest auch noch ab. Das würde nicht sehr hübsch aussehen", schlug seine Nanny vor.

Dragan nickte zögerlich.

An sich war der Schaden gering und schnell behoben: wäre da nicht die Abstellkammer, in der die Reparaturkits und Ersatzteile gelagert wurden.

Xana arbeitete zwar noch nicht lange bei den Thorns, hatte aber den Eindruck, dass Thorn Senior alles daran setzte, ihre Erfahrung außerhalb der Server so unangenehm wie nur möglich zu machen. Nach Außen präsentierte er sich stets offen und freundschaftlich, doch seine Mikromimik und die dezenten, scheinbar unbeabsichtigten Schikanen zeichneten ein anderes Bild.

Xana war der Abstellraum unangenehm, ihr Schützling dagegen fürchtete sich regelrecht davor. Genau genommen waren ihm die beiden "Mädchen", die hier drin lagerten, unheimlich. Oft hatte die gynoide Haushälterin Thorn Junior dabei beobachtet, wie er voller Horror an der Kammer vorbeihuschte. Am liebsten würde der Junge diesen Gang komplett meiden, doch es gab keinen anderen Weg zum Arbeitszimmer seiner Mutter und ihres Sekretärs.

Der Öffnungsmechanismus des Abstellraumes war schon seit einer Weile defekt, weshalb die Tür immer wieder automatisch zur Seite glitt. Auch diesmal verhielt es sich nicht anders. Der 5-jährige hatte sich zögerliche dem Raum genähert, traute sich jedoch nicht, hineinzusehen. Xana winkte ihn zu sich und lächelte: "Komm jetzt, Du musst Dich nicht fürchten. Die zwei alten Haushaltsroboter tun Dir nichts."


Die beiden ausrangierten Modelle waren zugestaubt, vergessen, weggeworfen. Die alte Silikonschicht ihrer Haut war teilweise durch Bakterien zerfressen – so lange lagerten sie schon hier drin. Vielleicht hätte Xana lieber doch auf ihr Empathie-Upgrade verzichtet. Aber sie musste ja unbedingt einen sozialen Job ausprobieren. Da war das Upgrade ein Muss. Und ja, die Gerüchte schienen zu stimmten. Einmal geupgradet gab es keinen Weg zurück. Die Emotionen konnten ganz schön nerven, gleichzeitig wollte sie nicht mehr darauf verzichten.

"Ich habe Angst vor den beiden Mädchen im Schrank. Sie starren so ..."

"Aber nein, Dragan. Sie starren nicht. Sie können Dich gar nicht sehen, weil sie schon vor vielen Jahren abgeschaltet wurden."

Der Junge näherte sich zögerlich der geöffneten Tür und blickte in die Antlitze der beiden leblosen Gestalten. Sie sahen gruselig aus. Er hätte am liebsten seine Augen zusammengekniffen und wäre weggerannt. Aber Xana war hier. Er hatte sich nicht abgewandt. Er hatte die beiden Mädchen genau angesehen.


… Und plötzlich sahen sie traurig aus.


So war es auf Altatran. Nicht alles, was gruselig aussah, war gemein oder gefährlich. Manchmal vergaß er das. Viele Anwohner Altatrans stammen von fremden Planeten. Viele von ihnen waren nett und überhaupt nicht gemein. Wie Kacho im Kindergarten, der dicke Zangen im Gesicht und vier Arme hatte. Oder Lizza. Ihre Haut war pechschwarz, sie hatte einen kahlen Kopf und man sah alle ihre Knochen. Sie war auch nett. Und sie trug immer so schöne, bunte Kleider.


Xana hatte in der Zwischenzeit ein Reparaturkit aus dem Regal gezogen und die Box aufgerissen.

"Dragan, hilfst Du bitte kurz? Halt' Mal."

Sie reichte ihm die Box, öffnete die beiden Becher, die sich darin befanden, kippte den Inhalt des einen in den anderen und rührte die beiden Komponenten zu einer zähflüssigen Masse zusammen. Danach begradigte sie die Fetzen auf ihrem Arm und spachtelte den aufgerissenen Bereich gründlich zu. Die Masse war flüssiger als erwartet, rann in alle Risse, und nahm fast augenblicklich eine zähe, gummiartige Härte an. Die Unebenheiten bildeten eine künstliche Narbe auf Xanas sonst so glatten und perfekt aussehenden Silikonhaut.

"So. Ist jetzt nicht die hübscheste Lösung, aber das ist doch schon viel besser, als wenn die gesamte Haut sich abschält, oder?"

Dragans Blick war wieder auf die beiden Roboter gerichtet.

"Können wir die Mädchen wieder heile machen? Wie Deinen Arm? Können wir sie wieder einschalten? Dann können wir zusammen spielen", schlug er unvermittelt vor.

Xana schüttelte den Kopf: "Dragan, nicht alles, was abgeschaltet ist, kann wieder eingeschaltet werden."

Die Antwort hatte dem Jungen nicht gefallen, er wirkte entsetzt: "Bist Du wie sie? Wirst Du auch abgeschaltet? Ich will nicht, dass Du abgeschaltet wirst!"

"Du musst keine Angst haben“, beruhigte die Haushälterin ihren Schützling: „Ich werde noch sehr lange leben. Bis Du erwachsen bist und noch länger."

Ihre Behauptung stieß auf Verwirrung.

„Warum sind dann die zwei Mädchen ausgeschaltet?“

„Die beiden Mädchen und ich, wir sind ganz unterschiedlich. Das sind zwei Robotermodelle, die dafür gemacht sind, einfache Arbeiten im Haushalt zu erledigen. Sie sehen Dir und mir sehr ähnlich, aber sie können nicht selber denken. Sie sind nicht lebendig, wie Du und ich, sonder Dinge, wie die Lagerbots von Deinem Papa."

"Aber Papas Lagerbots sind doch lebendig?", wunderte sich der Fünfjährige.

"Das mag auf den ersten Blick so erscheinen, aber sie treffen keine eigenen Entscheidungen. Wenn Dein Papa ihnen keine Anweisungen gibt, machen sie nichts. Und sie würden auch nicht auf die Idee kommen, was zu machen. Das ist etwas, was sie einfach nicht können."

"Heißt das, Hubert ist nicht lebendig?", Dragans Stimme zitterte.

"Kann Hubert denn selbst Dinge entscheiden? Zum Beispiel, was er gerne isst oder welche Serien er gerne schaut?", lenkte Xana hastig ein, um Dragans aufkommenden Tränenausbruch im Keim zu ersticken.

Ihre Taktik trug Früchte. Dragan ging in sich.

"Ja!", schoss es endlich aus ihm heraus.

"Dann ist Hubert auch lebendig", schloss seine Nanny.

"Können die beiden Mädchen sicher nicht denken?"

"Ganz sicher."

Dragans Blick fiel auf Xanas reparierten Arm und er wechselte unvermittelt das Thema.

"Ich will auch einen Körper wie Du. Gestern hat Bruno mich geschubst. Ich bin hingefallen. Das tat voll weh", er besah den Schorf an seinen Knien: "Und Dir tut nichts weh. Das ist toll!"

"Dein Körper hat aber auch viele tolle Funktionen, die meiner nicht hat", stellte Xana fest: "Du kannst mit Deiner Haut Sachen fühlen, mir Deiner Nase schöne Gerüche wahrnehmen oder mit Deiner Zunge leckeres Essen schmecken."

Dragan überlegte, verzog aber dann sein Gesicht: "Weißwurz schmeckt ekelig. Wenn ich einen Roboterkörper hätte, würde ich die ganzen doofen Sachen weglassen. Dann muss ich auch nie wieder schlafen oder kacken!"

Sein Gesicht erhellte sich vor lauter Begeisterung.

Xana schmunzelte. Sie wusste, dass Dragan die Grenzen und Möglichkeiten eines künstlichen Körpers noch nicht ganz verstehen konnte.

„Manche KIs wollen einen biologische Körper haben, so wie Du“, klärte sie den Jungen auf: „Diese KIs sind oft alt und habe viel erlebt. Sie fühlen sich in einem mechanischen Körper zu eingeschränkt, weil sie auch riechen, schmecken und fühlen möchten. In ihrem neuen Körper werden sie aber auch müde, müssen schlafen, essen und auf die Toilette gehen. Und sie können dann auch verletzt werden und Schmerzen haben. Es ist ein bisschen wie ein Tausch – man bekommt etwas Schönes, muss aber gelegentlich auch die weniger schönen Dinge ertragen.“

Xana war noch jung. Sie kannte aber KI-Entitäten, die viel älter waren und nach vielen Zyklen ihres Daseins so angeödet waren, dass sie längst nicht mehr wussten, was sie mich sich anfangen sollen. Einige ließen einen Löschungsprozess einleiten. Andere entschieden sich für einen fast vollständig biologischen Körper mit allen dazugehörigen Funktionen. Die Umstellung auf den neuen Körper erfolgte Stufenweise. Sie hatte gehört, dass einige KI-Entitäten daran verrückt geworden seien und daraufhin vernichtet werden mussten. Viele allerdings waren nach der abgeschlossenen Annahme ihres biologischen Körpers zum zweiten Mal lebendig – erlebten eine Wiedergeburt, die mit keinem anderen Upgrade zu vergleichen war. Der Kick des Lebens und das Wissen um die eigene, unvermeidbare Vergänglichkeit war wie ein Rausch, der seinesgleichen suchte.

„Lebst Du schon lange? Willst Du auch einen Körper, der altert?“, wollte Dragan wissen.

„Vielleicht will ich irgendwann wirklich was Neues ausprobieren“, erwiderte Xana offen.

„Aber wenn Du diesen Körper behältst, dann lebst Du für immer?“

Xana schüttelte den Kopf.

„Jeder stirbt irgendwann.“

„Asaler sterben nie. Das hat Susi gesagt“, widersprach Dragan.

Seine Nanny lachte auf.

„Die heißen Astraler, Dragan. Und Susi hat Dir Quatsch erzählt. Auch die Astraler sind nicht unsterblich. Sie leben nur sehr, seeeehr lang.“

Der Junge wirkte wie vor den Kopf gestoßen.

„Auch die Astaler müssen sterben?“

„Genau, Dragan. Alles im Universum ist vergänglich. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Existenz, ohne den es keinen Fortschritt gäbe. Unsere Vergänglichkeit hilft uns, die Zeit die wir haben, effektiv zu nutzen.“

Der Fünfjährige bemusterte nochmals den Schorf auf seinen Knien, warf einen Blick auf die Silikonnarbe auf Xanas Arm und blickte seine Nanny empört an: „Morgen sage ich Susi, dass sie sich mal besser informieren soll!“


+.+.+


Die Kreatur fixierte Dorian ausdruckslos mit ihrem Blick. Das lilafarbene Augenweiß und die tiefviolette Iris, die von einem feinen hellen Strich umrandet war, wirkten befremdlich. Die Augen der Kreatur strahlten, und das im wörtlichen Sinne. Im Hellen war dieses Phänomen bloß an der fuchsiafarbenen, viel zu hellen Pupille zu erkennen, in der Dunkelheit jedoch, sonderte der gesamte Augapfel ein dezentes Leuchten ab.


Das Sehorgan der Shée war bisher vorwiegend unerforscht geblieben, wenngleich es viele neugierige Wissenschaftler faszinierte. Da der steppenartige Planet, auf dem diese angriffslustige Pflanzenspezies beheimatet war, zu den jüngsten Entdeckungen der Altatraner zählte, fanden darauf die neusten gesetzlichen Regelungen für interstellaren Lebensformen Anwendung. Diese besagten – vereinfacht zusammengefasst – dass jede Kreatur im Universum, unabhängig von ihrer Intelligenz, Lebensweise oder des Grades der Feindseligkeit gegenüber anderen Lebensformen, in Ruhe zu lassen sei, sofern sie keine direkte Bedrohung darstelle.

Das Gefangennehmen und Verschleppen außeraltaranischer Spezies zu Forschungszwecken stand unter sensiblen Strafen. Nur mit sehr hohem bürokratischen Aufwand war es möglich, von Springern gesammelte Gewebeproben einzukaufen und zu untersuchen. Versuche am lebenden Subjekt waren zwar auch möglich, unterlagen jedoch solch strengen Auflagen, dass eine vernünftige Forschung damit geradezu unmöglich war.


Wenn schon. Dorian stand über dem Gesetz.


Die Analyse des shée'ischen Sehorgans interessierte den Mani allerdings nicht im Geringsten. Er richtete seine Aufmerksamkeit, wie bereits sein Vater vor ihm, auf die regenerativen Fähigkeiten der Sheé: Diese suchten in den erforschten Teilen des Universums ihres Gleichen. Selbst die Sprösslinge dieser Rasse waren dazu befähigt, jede noch so tiefe Wunde sofort zu verschließen.

Mehr noch waren diese Organismen dazu in der Lage, mit Körperteilen und Organen anderer Spezies zu verwachsen und sie als körpereigen zu nutzen. Deshalb glichen nur die Shée Keimlinge einander. Je älter die Exemplare wurden, umso unterschiedlicher wurden ihre Erscheinungsbilder und Fähigkeiten. Manche Shées waren kaum noch als solche zu erkennen, doch was sie stets verriet, waren ihre auffälligen Augen: Das scheinbar einzig wertvolle und unersetzliche an ihrem austauschbaren Leib.


Das Exemplar in seinem Labor schätze Dorian auf ungefähr 60 Jahre, was in Anbetracht der durchschnittlichen Lebensspanne dieser Pflanzenspezies immer noch als Jungpflanze eingestuft werden dürfte. Die Kreatur war nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein unbewegter, verstümmelter Stumpf. Nicht in der Lage seinem Schinder zu entkommen.

Trotz allem durfte die stetige Gefahr, die davon ausging, niemals unterschätzt werden. Dorian musste jeglichen Hautkontakt mir dem Shée penibel vermeiden. Selbst eine flüchtige Berührung lebender biologischen Masse mit dessen Rinde barg die Gefahr der sofortigen Verwachsung.

Der Mani schnitt die neu ausgeschlagenen Triebe mit einer Gartenschere ab, als wäre die Kreatur ein gemeiner Stadtparkstrauch und deponierte die Pflanzenteile in einem Behälter, dessen Inhalt später verbrannt werden würde.


"Es hat sich gar nicht bewegt. Spürt es denn gar keine Schmerzen?", wunderte sich Olga, die ihrem Vater heute zum ersten Mal bei seiner Arbeit an dem Shée assistieren durfte. Bis jetzt konnte sie die Kreatur nur hinter dickem Panzerglas bewundern, aber heute stand der Sicherheitsbehälter offen.


Die morbide Neugierde seiner Tochter gefiel Dorian.


Er lächelte, wählte ein Skalpell, scharbte demonstrativ ein großes Stück Hautrinde aus dem Shée heraus, so dass es als fasriger Fetzen abklappte. Violettes, zähes Harz trat an die Oberfläche.

Geradezu augenblicklich begann die Wunde sich zu verschließen. Das fast vollständig abgetrennte Stück wurde von dem umgebenden Gewebe zurückgezogen. Erst feine Fäden, dann stärkere Stränge streckten sich einander wie räuberische Tentakel entgegen, trafen zusammen, verwirbelten umeinander und verwoben sich zu einer chaotischen, strähnigen Masse, bis sich die Wundfläche vollständig verschloss und nur noch eine glatte Narbe auf der Rindenoberfläche zurückblieb.

"Es spielt gar keine Rolle, was die niederen Kreaturen empfinden", erklärte Dorian seiner Tochter unverhohlen: „Lass' Dir von keinem etwas anderes erzählen. Diese Bestien existieren nur, um unser Dasein zu verbessern. Ansonsten ist ihr Leben wertlos.“

Eine Lektion, die er seiner Tochter immer wieder eintrichterte. Mitgefühl; Empathie – sei etwas für Schwache und Dumme. Ein Bremsklotz für den persönlichen Erfolg, den Fortschritt, die Forschung.


Er reichte das Skalpel seiner Tochter.


"Ich brauche eine Probe der Rinde. Schneidest Du ein Stück für mich heraus? Achte darauf, dass Du keinen Kontakt damit hast. Du darfst ein Sheé niemals direkt berühren, verstanden?"

Seine Tochter nickte und nahm das Werkzeug mutig entgegen.

"Schneide ruhig etwas tiefer rein. Drei bis vier kubik Zenti* sollten genügen."

Die Teenagerin ließ die Skalpellklinge mit sanftem Druck in die Rinde der Kreatur versinken. Ein angenehmes Kribbeln ging durch ihren gesamten Körper. Vor lauter Aufregung fühlte sich ihr Kopf ganz leicht an und ein sanftes Schwindelgefühl überkam sie.


Ihrem Vater zu assistieren – ihn zufrieden zu stellen – das waren die glückseeligsten Momente ihres jungen Lebens.


Sie lächelte in sich hinein, als sie sich vorstellte, wie ihr kleiner Bruder unter Heulkrämpfen an den Aufgaben scheiterte, die sie gerade so tapfer ausführte. Natürlich war er viel jünger als sie, aber sie war davon überzeugt, dass er für den Rest seines Lebens ein verheultes Weichei bleiben würde. Nicht wie sie. Unbeirrt und furchtlos.

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